Karfreitag - wie abgemacht treffe ich Michi um 06:25 in Winterthur. Aus dem Zug beobachten wir den alljährlichen Oster-Stau am Gotthard.
Als wir in Airolo aus der Tunnel kommen, erwartet uns strahlend blauer Himmel.

Um 09:30 kommen wir in Faido an und machen uns sogleich auf die Piste. Trotz katholischem Feiertag haben die Läden in Faido - wie wahrscheinlich überall im Tessin - geöffnet. Schon bald liegt Faido hinter uns. Da der Wanderweg anschliessend bis Lavorgo (5 km) neben der Autobahn verläuft, wandern wir in zügigem Tempo. Bevor wir den Aufstieg nach Chironico in Angriff nehmen, beschauen wir den imposanten Kraftwerkbau (siehe Fotos), die beiden dazugehörigen Stauseen befinden sich übrigens rund 30 km nord-westlich im Gotthardgebiet auf über 2100 müM (Lago di Lucendro und Lago della Sella)!
Der Aufstieg zur Strada bassa führt über grosszügige Landschafts-Terrassen. Der Lärm vom Tal ist hier nicht mehr hörbar und wir geniessen die urchige Umgebung. Auf den umliegenden Bergen liegt noch Schnee (ab ca. 1600m), die Wälder färben die Landschaft immer noch in verschiedensten Brauntönen und erinnern eher an Herbst als an Frühling. Die Wiesen sind aber schon saftig grün und die Büsche beginnen auch schon zaghaft zu spriessen.
Bei Sacco gönnen wir uns eine ausgiebige Rast. Wir geniessen den Ausblick auf die Kunstbauten, welche dem Strassen- und Bahn-Verkehr die Überwindung des Talriegels bei Chironico ermöglichen. Auf der gegenüberliegenden Talseite reihen sich die Dörfer, welche durch die bekannte Strada alta verbunden sind.
Auf dem Weiterweg passieren wir einen markanten Felsabbruch, welcher spektakuläre Blicke auf Giornico freigibt (siehe Fotos).
Durch Eichen- und Kastanienwald wandern wir auf schmalen Pfaden stetig südwärts. Immer wieder passieren wir Bäche - mal durch eine Furt, dann wieder über stattliche alte Brücken. Schliesslich kreuzt ein Feuersalmander unseren Weg.
In Faidal entscheiden wir, auf direktem Weg nach Biasca abzusteigen. Der reizvolle Höhenweg auf der Strada bassa ginge ab hier zwar noch weiter, da wir aber auf dieser Etappe bis Lugano oder Porlezza kommen wollen, scheint uns der einfachere Weg sinnvoller.
Die schönen Höhenmeter sind schnell vernichtet und schon bald wandern wir dem Ticino entlang. Kurz nach Bisaca beginnt der knapp 10km lange Damm, auf dem auch der Wanderweg angelegt ist. Erst in Lodrino wechselt der Wanderweg auf die andere Flusseite und wird auch wieder abwechslungsreicher: lichte Auenwälder, Felder, Siedlungen, Industrie und Sportplätze im ständigen Wechsel. Im Laufe des Nachmittags nimmt die Bewölkung im Süden wie in der Prognose angedroht zu. Wir ziehen ohne grosse Pause in wackerem Schritt bis Bellinzona durch, wo wir gegen 21:00 eintreffen. Im Casa del popolo stärken wir uns mit feiner Pasta.
Um 22:00 machen wir uns wieder auf den Weg. Irgendwo zwischen Bellinzona und Giubiasco passieren wir den tiefsten Punkt unserer gesamten N-S Route. Nachdem wir das Siedlungsgebiet hinter uns gelassen haben ist es schon etwas dunkel, so dass wir den Einstieg zum Aufstieg erst im dritten Anlauf schaffen. Auf dem schmalen Pfad, der zwischendurch auch in einem recht feuchten Bachbeet verläuft, steigen und stolpern wir stetig aufwärts. Das viele Laub, die groben Steine, aber auch die aufkommende Müdigkeit rauben einem immer wieder für einen kurzen Moment das Gleichgewicht, nur dank den Stöcken kommt es nicht zu Stürzen.
Der Mond versteckt sich hinter schweren Wolken und irgendwann beginnt es zu nieseln. Auch wenn ich im Aufstieg recht schwitze, könnte ich auf diese Dusche gut verzichten. Wir lassen uns die stimmungsvolle Aussicht auf das Lichtermeer der Magadino-Ebene aber nicht vermiesen und als wir kurz nach Mitternacht Cima di Dentro – mit etwas über 1000 müM der höchste Punkt unserer heutigen Etappe – erreichen, kommt schon ein wenig Freude auf.
Zwar haben Michi und ich vereinbart, erst in Isone zu entscheiden, ob wir die anspruchsvolle Variante Porlezza in Angriff nehmen, aber eigentlich ist uns beiden hier schon klar, dass dies bei den aktuellen Verhältnissen ziemlich leichtsinnig wäre. Wir müssten auf knapp 1700 müM aufsteigen – in dieser Höhe ist mit (noch) schlechteren Bedingungen und vor allem mit Schnee zu rechnen.
Wir dippeln also auf Strasse ins gut beleuchtete aber total verschlafene Isone. Im Licht der dortigen Telefonkabine legen wir eine Pause ein und stärken uns aus dem Rucksack.
Der Pfad nach Gola di Lago ist nicht ganz so steil wie der Aufstieg von Giubiasco nach Cima di Dentro. Allerdings ziehe ich hier zweimal einen Schuh voll raus – beide Male links, fühlt sich zunächst ziemlich nass an, später dann kalt und aufgeweicht …
Wir überqueren zahlreiche Bäche und erreichen schliesslich im Regen Gola di Lago, wo wir in einem kleinen Verschlag eine kurze Pause einschalten. Mal auf der Strasse, mal auf dem Wanderweg halten wir unverdrossen gegen Tesserete zu. Bei Lelgio folgen wir dem Wanderwegweiser und landen in der Dunkelheit in einem ziemlich unwirtlichen Bachtobel - bevor sich die spärlichen Pfadspuren ganz im Dickicht auflösen, kehren wir um, bzw. kraxeln zurück auf die Strasse.
Um ca. 0600 treffen wir schliesslich beim alten Bahnhof von Tesserete ein.
Nun macht sich die Müdigkeit und der fehlende Kaffee definitiv bemerkbar - trotzdem setzen wir guten Mutes zum „Endspurt“ auf Lugano an. Zunächst im leicht coupierten Wald und dann durch Quartiere nähern wir uns unaufhaltsam unserem Ziel. Um 09:00 sitzen wir sehr zufrieden im Bahnhof-Buffet von Lugano und geniessen Kaffee und Gipfeli.


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Profil
N S 24h 04 Faido Lugano Profil

Statistik
Distanz: 76 km
rauf: 1926 Hm
runter: 2355 Hm
Zeit: 24h